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BarStories #1



Langsam trudelten die Leute hinein, ich wischte obligatorisch über den Tresen und stellte mir das Bild eines alten Saloon im Wilden Westen vor. Wäre dies ein Saloon, wären die Barhocker schon 12 Uhr mittags mit Trunkenbolden besetzt, einfache Gäste denen man nur ab und zu einen „Kurzen“ einschenken muss und darauf hoffen, dass eine Pöbelei nicht zur Schießerei wird. Plötzlich setzte sich der erste Gast vor mich und studierte die Massen an Flaschen hinter mir. Ein älterer Herr mit rund glasiger Brille auf der Nase.
>Ich bekomme den Ardbeg!<
>Freut mich auch Sie kennen zu lernen, und ja, gern,< antwortete ich, obwohl mir sehr wohl bewusst war, dass Höflichkeit in der Gastronomie ein wichtiger Indikator für den Erfolg ist. Dennoch kann ich es auf den Tot nicht leiden, wenn jemand einen anspricht ohne ihn zu grüßen, ohne ihm den nötigen Respekt zu erweisen und gleich etwas zu verlangen, egal ob dafür Geld fließt oder nicht. Respekt ist nicht käuflich, so meine Überzeugung und ich stellte ihm, mit äußerst überlegender inneren Bestätigung, das zierliche Noisingglas neben seinen zusätzlich verlangten jungfräulichen Aschenbecher.
>Noch etwas Wasser?< fragte er mich. Natürlich meinte er für seinen Whiskey, aber ich konnte mir nicht verkneifen mit einem
>Nein danke, ich hab hier noch ne Cola steh'n,< zu antworten.
Nach diesem zweiten Paukenschlag, und seinem komischen Gesichtsausdruck, merkte ich, dass er sein Verhalten nicht als unhöflich empfand und meines nicht verstand. Die Tische füllten sich und ich bekam einige Bons rein. Ein paar Caipirinha und Mai Tai später fragte ich meinen undefinierbaren Gast:
>Bevorzugt ein Mann Ihres Schlages nicht die Anwesenheit  ausgewählter Skatkollegen oder künstlich zuhörender Angestellte?<
>Meine Frau und ich wir streiten häufiger als die Rechten und Linken, und jedesmal, nach dem Überstehen und Durchsetzten, gönne ich mir einen Ardbeg. Vorhin das selbe Spiel, doch diesmal warf sie unüblicher Weise meine letzte Ardbeg-Flasche nach mir und somit bleibt mir nichts anderes übrig als hier zu sitzen und Ihnen zu erklären warum ich hier sitze,< antwortete er ohne mich dabei anzuschauen.
>Unüblicher Weise?<
>Normaler Weise verschont sie den guten Whiskey, wir kaufen oft auch Billigfusel, damit der Streit nicht so teuer wird.<
Ich muss sagen, ich war sehr amüsiert, auch überrascht mit welcher Sprechfreude er plötzlich los lag.
Der Abend blieb ruhig und ich suchte mir willkürlich Aufgaben die ich zwischen den wenigen bestellten Getränken aus meinem Zuständigkeitsbereich erledigen konnte, nur um nicht wieder in ein komisches Gespräch mit dem Dauersitzer vor mit eingezogen zu werden.
Mir fiel nicht auf, dass er gegangen war. Mir fiel auf, dass er die Rechnung mitgezählt und das Geld auf den Tresen gelegt hatte. Schon komisch, ich kam mir wieder wie im Wilden Westen vor, nur dass heutzutage mehr Gäste von Ardbeg-Flaschen getroffen werden als von tödlichen Bleikugeln...

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